Jil Sander – Sew along Teil 3

Der Versuch, ein kompliziert geschnittenes Designerkleid nachzunähen, ist schon etwas weiter fortgeschritten. Hier nun mein zweites Probemodell:

 

 

 

So langsam komme ich dahinter, wie die Form sein muss. Letztenendes ist es immer ein Spiel, bei dem es darauf ankommt, den Flächeninhalt zu verschieben oder zu vergrößern, nie zu verkleinern, denn das zu umhüllende Volumen steht ja fest. Wie immer entsteht das Ganze aus einem Grundschnitt, welcher so aussieht:

 

Dreiviertel der Vorderseite sollen aus einem Teil bestehen, mit Brustabnäher von der Seitennaht her kommend, jedoch ohne Taillenabnäher. Wenn keine Taillenabnäher zu sehen sein sollen, aber das Kleid auch nicht weiter werden soll, setze ich sie an die Seitennaht, d.h. sie fallen weg. Die große glatte Fläche wird nur durch eine Rockfalte optisch abgeteilt. Wie sich gezeigt hat, reichte es nicht aus, nur den Saum auszustellen, es muss auch parallel erweitert werden. Wobei, ich hatte mehr erweitert als man letztlich beim ersten Versuch an Überlagerung gesehen hat. Da war wohl etwas Bequemlichkeitsweite nötig gewesen.

Das übrige Viertel, also halbe Oberteil, setzt an der Kante einer Art Lasche an, die lässig übergeschlagen ist. Die entstandene Faltung öffnet sich nach links, während die Falte im Rock in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Eigentlich glaubt man nicht,  dass analog zur Gegenseite kein Brustabnäher im kleinen Teilstück vorhanden sein soll. Auf den Bildern vom Originalkleid sieht man jedenfalls keinen. Aber es gibt ihn. Ich hatte ihn zuerst zur vorderen Mitte gedreht, um offen gelassen mehr Weite zu erzielen. Das sah einfach nur bauschig und unförmig aus. Danach habe ich es mit dem Mittelpunkt probiert. Nun ist es immer noch nicht so wie beim Vorbild, denn Kante und Falte sollen mehr V-förmig zueinander stehen, nicht senkrecht und 45°. Auch das habe ich hinbekommen, wie ihr später sehen werdet. Wie das geht, dürft ihr bitte selbst erforschen. Kleine Geheimnisse machen doch den Zauber der Hohen Schneiderkunst aus. Den Halsausschnitt muss man sich natürlich noch etwas weiter vorstellen.

 

Mit der Rückenansicht bin ich schon ganz zufrieden. Was muss man tun, damit man einen Abnäher über den ganzen Rücken laufen lassen kann, das war hier die Frage.  Mitten auf einer Fläche Nahtzugabe erzeugen, wo eigentlich keine ist? Beim ersten Versuch sah es auf Taillenhöhe etwas buckelig aus. Nicht, weil sich der in der Naht untergebrachte Abnäher ungewollt vergrößert hätte, als ich die Schnittteile auseinander gezogen habe, was ich zuerst glaubte. Die Mehrweite führe ich vielmehr darauf zurück, dass ich die Einziehung in der hinteren Mitte zugunsten eines Stoffbruchs übergehen musste. Durch Abstecken am Körper war das Zuviel relativ leicht auszugleichen. Die rechte Seite mit der Reißverschlusslinie habe ich zum Vergleich genommen. Der Rücken ist nicht ganz so anliegend wie beim Grundschnitt geraten. Den Reißverschluss habe ich außerdem noch einmal versetzt, damit die divergierenden Linien von Reißverschluss- und Abnäherende auch wirklich symmetrisch sind. Auf bei mir ohnehin nur kleine Schulterblattabnäher habe ich verzichtet, beziehungsweise an Schulter und Achsel leicht reduziert.

Ob das Design mit dem von mir ausgesuchten Stoff gut rauskommt?

Stoff

Da mir blau ganz gut steht, war ich anfangs nach einem Stoff in dieser Farbe auf der Suche. Nun ist mir jedoch ein Viscose-Polyester-Gewebe in einem dunklen türkis über den Weg gelaufen, das dem Original sehr nahe kommt. Je nach Licht überwiegen mal die Blauanteile, mal wirkt es mehr grünlich. Wie man den Stoff genau nennt, konnte man mir nicht sagen: Köperbindung, gewisse Dicke, fließend fallend, leichte Struktur, wenig dehnbar, vielleicht Garbardin?

Auf den Probestoff zeichne ich mir alle Markierungen inklusive Nahtlinien immer genau mit Bleistift an. Das kann ich hier nicht, daher greife ich zumindest für den großen Abnäher im Rücken zu Nadel und Faden. Die Lasche ist an der unten liegenden Seite bebügelt. Die Nahtzugaben am Halsausschnitt habe ich zwischen zwei Lagen steifer Vlieseline fixiert. Ich bilde mir ein, sie drücken dann weniger durch. Außerdem kann dieses Teil an der Schulternaht mitgefasst werden, damit die Ecke nicht absteht. Vielleicht hätte sie es sowieso nicht getan, wegen dem Durchbiegen aufgrund der Brustrundung, aber vorsichtshalber habe ich mir diese Lösung überlegt. Der Rohbau ist soweit fertig, wenngleich die Weite noch angepasst werden sollte. Dies kann nur über die Seitennähte erfolgen. Die Reißverschlusslinie ist exorbitant geworden, kann ich schon mal verraten, nachdem ich mich mal ernsthaft mit diesen Nahtverdeckten auseinandergesetzt habe. Der Stoff ist schwer zu bügeln. Am besten man schwebt nur mit dem Bügeleisen darüber bei mittlerer Hitze und mit feuchtem Tuch. Futter fehlt noch und bei den angedachten Ärmeln muss ich mal schauen, wie es aussieht.

 

Wie weit die anderen Teilnehmer des Sew alongs sind, kannst du bei „Wollix und Stoffix“ sehen! Das fertige Kleid wird dann zum Finale am Sonntag, den 25. März vorgeführt.

 

3 Gedanken zu “Jil Sander – Sew along Teil 3

  1. Siebensachen 4. März 2018 / 13:38

    Du bist schon weit vorangekommen. Und hast wieder alles so wunderbar erklärt. Leider muss ich gestehen, dass ich nicht alles verstanden habe, obwohl ich ja in das Design des Kleides eingedacht bin. Das liegt aber sicher an meinen unzureichenden Konstruktionskenntnisen. Du verwendest zweimal den Begriff „Lasche“ – ich verstehe leider nicht, was du meinst. Die obere Falte hast du verstürzt, nicht wahr? Das funktioniert aber wahrscheinlich nur, wenn sie bis an die Schulter geht, oder? Dieser Bereich ist bei mir jedenfalls noch mit diversen Fragezeichen versehen. Immerhin habe ich inzwischen einen sehr schönen Stoff gefunden; er muss nur noch geliefert werden.
    Für meinen Post brauche ich noch ein paar Tage; ich möchte noch ein Stück weiter kommen und die Fotos müssen ja auch gemacht werden.
    Zu deinem Stoff: Ich denke auch, dass es ein Gabardine ist. Die Farbe ist toll. Hast du beim Bügeln mal versucht, Backpapier statt Tuch zu verwenden. Ich schwöre inzwischen darauf.
    LG
    Siebensachen

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    • formspielerins werke 4. März 2018 / 15:24

      Vieles versteht man erst, wenn man selbst vor der Sache sitzt und eine Lösung suchen muss. Diese Brustabnäherverlagerung ist ja auch wirklich nicht alltäglich. Mit Lasche meine ich einfach nur dieses verstürzte Teil, wusste mich nicht anders auszudrücken. Die Faltung geht bis zur Schulter, das stimmt. Die Faltentiefe will ich ein kleines Stück am Futter befestigen. Besätze mache ich nicht, das wird zu dick an der Kante.
      Ich könnte mir vorstellen, dass Backpapier den Stoff schützt aber keine großen Wellen verursacht, werde ich mal an einem Stoffrest testen. Sonst komme ich aber mit meinem feuchten Herrentaschentuch auch gut zurecht. Wir sind schon seit langem ein Team. 🙂 Ohne wird der Stoff sofort blank und es kam mir fast so vor, als wenn auch die Farbe Schaden nimmt.
      Lass´ uns nicht so lange warten, wir sind gespannt auf deine Version!

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  2. monika 5. März 2018 / 17:44

    Ich habe es mir mehrmals durchgelesen und angesehen. Ich bin sehr fasziniert wie du diese Konstruktion anhand nur Fotos hinbekommen hast. Ich bewundere das sehr, denn ich kann das nicht.
    Ich bin wirklich sehr sehr gespannt auf das fertige Kleid.
    lg monika

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