Sportlich- elegante Sommerjacke

Entstanden ist die Jacke aus einem Entwurf, der schon über zehn Jahre zurückliegt. Damals drapierte ich mit Seidenpapier an einer Halbmaßbüste, die ich aus einem älteren Grundschnitt entwickelt hatte. (Die Form mit Plastilin ausgefüllt, eine Gipshülle angefertigt und mit Keramin ausgegossen. Um den Holzsockel zu integrieren, wurde ein kleiner Karton mit eingegossen.) Den Halbmaßschnitt habe ich nun auf einen figurnahen Jackengrundschnitt nach Müller&Sohn in natürlicher Größe übertragen. Auf das Element der überschnittenen Schulter habe ich jedoch vorläufig verzichtet. Vielleicht nehme ich es später wieder auf. Mir war zunächst der Kragen wichtig. Früher hatte ich noch nicht so das Verständnis für Schnitte, doch nun wurde mir beim erneuten Betrachten klar, dass es sich um einen Schalkragen handeln musste. Dies vorweg, damit man das Ergebnis einordnen kann.

Es handelt sich hier nicht um eine reguläre Konstruktion wie sie im Buche steht, sondern es ist mehr eine Annäherung. Denn die Bruchlinie ist ziemlich halsfern, eigentlich sogar hohl ausgebogen, was für eine Sommerjacke gehen mag.

Ehrlich gesagt, wenn ich etwas ausprobieren will, muss sofort Stoff vorhanden sein. Nicht alles ist bewusstes designen, ich arrangiere mich auch mal. Was nicht heißt, dass ich das Ergebnis nicht supercool finde… Ich kann nicht lange im Geschäft herumtun und warten, bis der neue Stoff nach der notwendigen Vorwäsche getrocknet ist. Und so ergab es sich, dass der blaue Baumwollstoff herhalten musste. So ist der ganze Rumpf verstärkt, sonst würde sich die Form gar nicht halten. Die Jacke ist überhaupt komplett aus dem Fundus. Gut wäre an dieser Stelle auch ein Funktionsstoff, der nicht in der Sonne ausbleichen kann, aber so ist es eben mit Prototypen, selten ist etwas wirklich perfekt.

Praktisch zu schließen ist die eigentlich doppelreihige Jacke mit einem Reißverschluss, der zwischen den Vorderteilen eingefasst ist. Ich mag keine roh aufgesetzten Reißverschlüsse, bei denen man die Stoffkante sieht. Daher ist der Brustabnäher von der Seite herkommend gleich weitergeführt und trennt das Vorderteil ab. Rechts unten ist noch Platz für eine Tasche. Leider hatte ich diese Seitenteile zu stark gebügelt beim Bekleben mit Gewebeeinlage, so dass sich die blaue Farbe des Baumwollstoffs grünlich verfärbte. Die beiden Teile habe ich also noch ausgetauscht. Unter dem Arm befindet sich ein fast parallel gerades, schwarzes Seitenteil, Polyamid, wie der Kragen auch und die Innenärmel. Zuerst war ich mir nicht sicher, ob ich glatt schwarze Ärmel wollte und habe dann doch lieber den strukturierten Stoff (Möbelbezugsstoff übrigens) genommen, damit es ein interessanter Materalmix wurde. Ansonsten ist der Rumpf mit einem preiswerten Futter ausgestattet.

Das Andrapieren des Futterärmels habe ich anders vorgenommen als sonst. Nämlich habe ich diesmal den Rumpf eingeschlagen und die Ärmelzugabe untergeschoben. Das scheint mir besser zu funktionieren als umgekehrt. Hier sieht man auch, dass das Vorderteilbeleg nicht bis zur Schulter geht, sondern an der Kragenecke endet. Die Naht wurde nach vorn verschoben. Es erschien mir praktischer, um kompaktere Schnittteile zu haben. Im Oberstoff ist das nicht so. Da ist eine recht spitze Ecke entstanden, die mir so nicht unbedingt gefällt. Das liegt eben daran, dass die Bruchkante oben an der Schulter recht weit vom Halsloch entfernt ist. Dieses weit Offene ist nur bei einer sommerliche Jacke angebracht, denke ich. Ich mag den unverstärkten Oberkragen, obwohl er tatsächlich auch zum Verdrehen neigt. Es gibt der Jacke etwas anorakartiges. In Wollstoff dürfte das wahrscheinlich kein Thema sein, was ich auch noch testen könnte. Ich wollte es nicht zu steif werden lassen, weil ich ja schon den Baumwollstoff verstärken musste.

Die Jacke passt doch gut in die Kollektion vom Sommer 2022, oder? Inzwischen habe ich auch einige andere Schalkragenkonstruktionen angefertigt, die erprobt werden wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine gut am Hals schließende Lösung wirklich besser finden würde, auch wenn sie nach den Regeln der Kunst entstanden ist. Da können auch noch Kragenbreite und Winkel variiert werden. Die freie Ecke aber, wo sich links und rechts überlagern, ist mir wichtig. (Das Spiegelfoto oben ist zurückgespiegelt.) Später im nächsten Sommer kann ich vielleicht noch ein paar ordentliche Fotos in Natur nachliefern. Solange nehmt gern mit diesem Werkstattbericht vorlieb!

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