Schulterfreies Jerseykleid

Irgendwann ist ja auch wieder Sommer und dafür habe ich schon mal vorgesorgt. Außer einem neuen Kleid habe ich jetzt eine schöne Kombinationsmöglichkeit für das textile Collier, das vor ziemlich genau zwei Jahren im Rahmen der Stoffspielereien entstanden ist.

Dieses Kleid ist aus einem eher weniger elastischen Jersey. Das machte mir die Herstellung leichter, weil berechenbarer. Viele lieben ja Jersey, ich nicht so. Ganz allgemein ist mir Webstoff eigentlich nützlicher, denn für Schnittkonstruktion kann man nur damit wirklich sehen, ob die Form gut ist. Beim Tragen mag ich natürlich wieder gern die Möglichkeit der Dehnbarkeit in Anspruch nehmen. Bei meinem Schnittmuster habe ich also kein Negative Ease eingeplant. Es ist ein sehr figurnaher Schnitt, enger als Kleidergrundschnitt. (Die Papierbüste hat mir ein bisschen geholfen.) Und wer jetzt denkt, „Das habe ich doch schon mal gesehen!?“ dem antworte ich „Stimmt genau, das Nickikleid!“

Anders als bei den meisten Kleidern ist, dass es keine Seitennaht gibt. Die sonst üblichen Seitenteile vorn und hinten sind miteinander verbunden. Vorder- und Rückenteil sind relativ breit, zugunsten eines schmalen Seitenteils, das nahezu parallele senkrechte Nahtlinien aufweist. Die Linienführung will natürlich betont werden, sonst könnte man sich den Aufwand der Modellgestaltung ja sparen. Das heißt, am besten nimmt man einen einfarbigen Stoff. Ich habe, da es sich bei dem jeansfarbigen Stoff anbot, noch kontrastierende Ziersteppung angebracht. Vorder- und Rückenteil haben in der Taille eine nach oben gebogene Abtrennung. Das wirkt dynamisch und ist arbeitstechnisch sinnvoll, da die Schnittteile dann kompakter bleiben. Jede Naht formt ja auch, hier ein kleines Oberteil gegenüber ein etwas längeres Unterteil. Das Ganze ist also nicht ein langes, schmales Irgendwas, sondern mehr oder weniger im Goldenen Schnitt geteilt. Die Länge ist bis Mitte Knie. Auf den Bildern sieht es fast etwas länger aus. Erstaunlicherweise hatte ich es mit dem Saum sehr leicht. Ich musste nichts kürzen oder begradigen, sondern konnte genau nach Plan arbeiten, was wahrscheinlich auf den figurnahen Rücken zurückzuführen ist. Die Rockweite entspricht noch original dem Grundschnitt, also ganz gerade herunter.

Die Träger sind mit am Seitenteil angeschnitten und sollen weit außen liegen, damit möglichst viel vom Dekollete zu sehen ist. Damit sie gut halten und nicht von der Schulter rutschen, ist es sinnvoll sie hinten mehr mittig anzusetzen. (Ihr seht schon, ich lobe über alle Maßen das Design des Nicol Kidman-Kleid, wer auch immer dafür verantwortlich ist.) Natürlich braucht es Belege für den Ausschnitt. Vorn habe ich diesen über die Mittelteile hinaus Richtung Armloch gezogen. Das Trägerfutter habe ich angesetzt, was die Sache schwierig in der Verarbeitung machte. Besser ist wohl Träger- und Ausschnittbeleg in einem Stück zuzuschneiden. Am hinteren Beleg habe ich zunächst eine Lücke in der Naht gelassen, damit ich dort den Träger probeweise einstecken und in der Länge justieren konnte. Normalerweise wäre in der hinteren Mitte ein Reißverschluss nötig gewesen. Das Geld spare ich mir in diesem Fall. Hinein komme ich ohne Probleme, hinaus lasse ich mir dann helfen… Weil dieses ja eindeutig ein Sommerkleid ist bei dem dünnen Stoff, habe ich die Ärmel nur dreiviertellang gemacht. Auch optisch war es mir zuviel Dunkles bei längeren Ärmeln. Die obere Kante habe ich durch einen angeschnittenen, verstärkten Beleg gesichert. Auf etwa halber Höhe des Armlochs muss man die Nahtzugabe einschneiden, um den Ärmel einzunähen (siehe Bild). Denn da fängt ja schon der Träger an.

Den Ausschnitt habe ich gegenüber dem ursprünglichen Schnitt verändert, indem ich noch eine Raffung eingefügt habe. Dafür habe ich das halbe Oberteil auseinandergefächert, wie im Bild zu sehen. Auch ohne diese Raffung ist es sinnvoll, das Oberteil nicht im Stoffbruch zuzuschneiden, denn es kann so noch am Ausschnitt keilförmig weggenommen werden, „gekniffen werden“ wie es in der Fachliteratur so schön heißt. Was ich dann auch noch an der Naht zum Seitenteil gemacht habe. Bei dem großen Ausschnitt muss die Kante einfach näher anliegen. So bin ich also ausgestattet für eine kleine Woche Urlaub an der Ostsee, den wir gerade gebucht haben. Ich freue mich schon! Und davor und danach auf Bad Meingarten.

Dieser Beitrag ist verlinkt mit „Du für Dich am Donnerstag„.

6 Gedanken zu “Schulterfreies Jerseykleid

  1. Sabrina 28. Januar 2022 / 12:03

    Ich lese deine Artikel immer wieder gerne, besonders auch, weil sie so ausführlich sind.

    Grüße

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  2. Sonnenschoen 29. Januar 2022 / 17:27

    Das Kleid sieht super aus! Gut angezogen und wahrscheinlich trotzdem wahnsinnig bequem 🙂 :G Sonnenschoen

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  3. Anja 30. Januar 2022 / 13:38

    Das Kleid gefällt mir fast noch einen Ticken besser als das andere, unglaublich toller Schnitt, lgAnja

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