Shirtjacke, mal in edel

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Sportiv und dabei trotzdem festlich gekleidet sein, kann man das? Schließt Eleganz  Bequemlichkeit aus? Das muss nicht unbedingt so sein, finde ich. Wenn eine einfache Shirtjacke in edlem Material gearbeitet ist, ergibt sich eine ganz andere modische Aussage. Hier habe ich Baumwollnicki verwendet und auf die Kanten rotgoldene Bänder aufgenäht. Die Verzierung auf den Flor anzubringen war eine schwierige Angelegenheit, da die Bänder leicht verrutschen, aber ich trenne ja auch gern… Mir gefällt, dass das Outfit etwas an mittelalterliche Gewänder erinnert, wie man sie auf alten Gemälden sehen kann. Mit dem schimmernden Stoff ergeben sich schöne Faltenwürfe und die schwere, warme Farbe leuchtet aus dem Dunkel heraus.

Die Shirtjacke habe ich von einem gekauften Exemplar kopiert. So etwas mache ich, wenn ein geliebtes Teil langsam unansehnlich wird. Und man lernt dabei auch etwas, z.B. kann ich die Weite für gewünschte Kleidungsstücke besser abschätzen oder die optimale Platzierung von Taschen herausfinden, denn die Industrie hat sich damit schon beschäftigt. Ich habe in alle Richtungen maßgenommen und konnte im Abgleich mit dem (Gilewska-)Grundschnitt sehen, was gemacht wurde.

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Man hat ein schmales Seitenteil. Die Teilungsnaht ist weit vom Brustpunkt entfernt. Das bedeutet, dass die Passform legerer wird, der Körper nicht so genau nachformt wird, denn der Stoff liegt ja praktisch ohne Abnäher flach über der Brust. Um die Konstruktion nachzubauen, habe ich zunächst den großen Brustabnäher zur Seitennaht gedreht. Den in etwa nach meinem Beispiel nachempfundenen Bogen vom Armloch über die Taille zum Saum schnitt ich auf. Das kurze Stück des Abnähers von der Teilungsnaht zum Brustpunkt ließ ich offen. Die Nahtkante des Mittelteils verlängert sich dadurch etwas. Sie kann beim Zusammennähen eingehalten werden. Die beiden seitlichen durch den Abnäher getrennten Teile wurden aneinandergelegt und ergeben das Seitenteil. Der Abnäher ist nun in die Teilungsnaht verschoben.

Interessant ist auch, wie der Halsausschnitt breiter gestaltet ist, der Rücken erhöht ist  und die Schulter mit dem Ärmel eine gerade Linie bildet. Das könnte ein Trick sein, um bessere Bewegungsfreiheit im Schnitt zu erlangen. Man verkürzt nicht die Armkugel, sondern kommt ihr mit der schräger gestellten Schulter etwas entgegen. Die Ärmel sind offensichtlich etwas vertieft, die Seitennaht ist vorgelagert.

In der vorderen Teilungsnaht stecken noch Nahttaschen. Bei mir sind die mittigen Vorderteile mit Futter versehen, einmal damit sich die Taschen bei geöffneter Jacke nicht so herauskehren und zum anderen sieht es auch am Kragen netter aus. Im Original sind die Taschenbeutel am Reißverschluß mitgefasst und die Jacke war insgesamt ungefüttert.

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So schön ich Kleider auch finde, ich habe es auch gern, warm angezogen zu sein und wie hier nur mäßig hohe Schuhe tragen zu können.   -Und im nächsten Post propagiere ich wahrscheinlich das Gegenteil…

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Mit diesem Beitrag für das Thema „Festliches“ endet der Jahres-Sewalong von Fräulein An. Es hat mir viel Spaß gebracht, unter kleinen Vorgaben kreativ zu werden!

Fast hätte ich den Backlink vergessen zum MeMadeMittwoch!

 

 

10 Gedanken zu “Shirtjacke, mal in edel

  1. Sabine und Wolfgang 9. Dezember 2017 / 20:45

    …. das seht richtig leuchtend und weihnachtlich aus!!! Dazu stell ich mir ein opulentes Weihnachtsmahl vor…

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    • formspielerins werke 9. Dezember 2017 / 20:47

      Ja danke, ich mir auch! Mein Gott, seid ihr schnell mit dem Kommentieren, habe doch gerade erst veröffentlicht!

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  2. verfucshtundzugenäht 12. Dezember 2017 / 14:46

    Pefekt! Die hätt ich auch gerne!!!
    Es ist einfach total befreidigend an der Passform zu arbeiten!
    Schlecht sitzende Teile kann man ja haufenweise kaufen 😉
    Liebe Grüße, Eva

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  3. Susanne Dienstag 13. Dezember 2017 / 13:10

    Gefällt mir richtig gut, sowohl das tolle Rot von Außen- und Innenjacke, als auch die kleine, schmucke Verzierung. Und vor allem gefällt mir, dass deine Jacke beweist, dass Nickystoff erwachsenentauglich aussehen kann.
    LG von Susanne

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    • formspielerins werke 13. Dezember 2017 / 13:17

      Ja absolut, ist ja gerade in Mode! Viele verwechseln Nicky aber auch mit Samt, der eigentlich einen kürzeren Flor hat und härter ist.

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  4. Melanie Schiffner 13. Dezember 2017 / 16:00

    Super geworden.
    Wo hast Du den Stoff her?

    LG
    Melanie

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  5. Twill & Heftstich 13. Dezember 2017 / 16:38

    Danke für den informativen Post! Ich lese solche „Fallbeschreibungen“ wahnsinnig gern, weil sie oft sehr lehrreich sind, hier die Schulter-Ärmel-in-Linie für mehr Bewegungsfreiheit. Ein sehr schöne Jacke! Sowohl der Schnitt als auch Farbe und Material! Ich habe noch nie Nicki vernäht. Lässt sich das überhaupt spurlos auftrennen? Und ich dachte, Dir kommt außer Müller & Sohn nichts in Haus. Mich würden Deine Erfahrungen mit Gilewska interessieren. Kann man dazu irgendwo mehr bei Dir lesen? Liebe Grüße, Manuela

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    • formspielerins werke 13. Dezember 2017 / 17:01

      Diese Schulter-Ärmel-Linie habe ich tatsächlich auch noch nirgens sonst gesehen, auch nicht in den Büchern. Man sollte sich seiner Sache schon sicher sein, denn Auftrennen ist sehr schwer. Ich nehme dazu eine spitze Stickschere.
      Bevor ich Müller&Sohn kannte, hatte ich die zwei Konstruktionsbücher von Teresa Gilewska. Und davor habe ich mit den Konstruktionen vom Fernstudium bei der Neuen Kunstschule Zürich gearbeitet. (Diese existiert schon seit 15 Jahren nicht mehr.) Ich halte jedoch Müller&Sohn für das Beste und Anspruchsvollste. Auch die Industrie soll damit arbeiten. In jedem Beitrag schreibe ich, welche Grundlage ich verwendet habe. Den Gilewska-Grundschnitt nehme ich immer dann, wenn es körpernah werden soll, z.B. Korsett, FUSSA-Kleid, Tops.

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