Papier, Stoff und Stahl

Für vielerlei Anpassungen in der Schneiderkunst ist es hilfreich, eine Modellbüste zu haben. Meine nach dem Körper gebaute besteht nur aus Papier und etwas Pappe.

 

Die Herstellung war arbeitsintensiver als gedacht: Zu Beginn wurde eine Plastiktüte als Shirt zurechtgeschnitten und angezogen. Es isoliert den Körper gegen Nässe, ergibt symmetrische Begrenzungen, schnürt und verformt nicht, wie es Frischhaltefolie möglicherweise getan hätte. Darauf sind zuerst lange Streifen von Nassklebeband sich überkreuzend angebracht, später auch kleinere Stücke.

Ich habe vorerst nur von Schulter bis zur Taille gearbeitet. Der von Taille bis Hüfte reichende Teil ist dann noch nachträglich angebracht. Ich fand es etwas besser zu händeln, da man es so mit zwei kompakten Formen ohne Unterschneidungen zu tun hatte. Den Hals habe ich später anmodelliert.

 

Nachdem ich also mit drei bis vier Schichten beklebt war, ist die Form an vorderer und hinterer Mitte aufgeschnitten und ausgezogen worden. Damit keine Vergrößerung stattfindet, kann man an den Schnittlinien noch etwas mehr wegschneiden und dann wieder zusammensetzen. Zum Durchtrocknen habe ich die Form in einen Karton gesetzt und zur Stabilisierung die Hohlräume locker mit Handtüchern ausgefüllt. Das Plastik von innen konnte man entfernen und dann dort mit Papierband weiter stabilisieren.

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Ich habe die Form noch mehrfach verändert, auch mit Säge und Raspel. Es ist die reinste Bildhauerarbeit mit entsprechend viel Unordnung. Wo gehobelt wird, fallen halt Späne, wie das Sprichwort so schön sagt.

Dieses gummierte Papierband benutzt man eigentlich dazu, ein fertig gemaltes, rückseitig angefeuchtetes Aquarellbild auf eine Unterlage aufzuziehen, um es zu glätten. Das Blatt wird nach dem Trocknen von der Unterlage mit einem Skalpell losgeschnitten und hat gleich einen umlaufend stabilisierenden Rand.

Durch Nachmessen mit einem großen Zimmermannswinkel konnte ich feststellen, dass die Büste nur in etwa meiner Körperform entspricht. Umfänge kann man schnell an einem Maßband ablesen, wie sich jedoch das Verhältnis der Maße des Ovals des Körperumfangs verteilt, nicht so leicht. Den Tipp mit dem Winkel kann man bei „Vervliest und zugenäht“ nachlesen. Weil auch das zuvor gefertigte Korsett, das mir gut passt, angelegt werden können sollte, habe ich die Figur im Nachhinein schlanker als real gebaut. Konkave Bereiche an Brust und Schlüsselbein wollte ich ebenfalls nicht und habe die Stellen ausgeglichen.

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Das Korsett hat eine gemäßigte Form und ist schon als Grundlage für Mieder verwendet. Es sollen noch Corsagen für Kleider folgen. Für weniger figurbetonte Kleidung kann die Büste ja jederzeit mit Aufpolsterungen beklebt werden.

Zwischen den zwei Lagen Baumwollstoff sind Tunnelzüge für ein Stahlspiralband integriert. Das Spiralband gibt es als Meterware mit extra Endkappen. Außerdem habe ich Haken- und Ösenband verwendet, sowie ein Band mit Lochösen zum Schnüren. Es ist wirklich nur Version Simpel zum Ausprobieren.

Die Anleitung fürs Schnittmuster habe ich aus „Historische Schnitte“ vom Rundschau-Verlag *. Als Grundlage werden für viele Schnitte vorhandene Grundschnitte vorausgesetzt. Als ich mich erstmals damit beschäftigt habe, hatte ich noch keinen Grundschnitt nach Müller&Sohn, wovon im Buch ausgegangen wird, und habe stattdessen den nach Gilewska genommen. Ob es Unterschiede gäbe, bliebe festzustellen. Da er aber schon körpernah ist, hat es gut funktioniert. Es gibt verschiedene Formen von Korsetts, dieses ist nach dem Vorbild der Zeit um 1860. Das Buch enthält überhaupt viele tolle Schnittanleitungen für Theater- oder Filmgarderoben aus verschiedenen Epochen, als da wären für Reifröcke (mit etwa 17 Meter Stahlband), Corsagen, aufwendige Ärmel, originelle Ausschnittlösungen (der 50er Jahre) und auch für Unterwäsche.

 

Man kann ja mal träumen vom großen Ballkleid, gebraucht wird es sicher nicht…

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Julia von „Sewing Galaxy“ empfiehlt folgendes Buch *. Sie hatte mir in den Kommentaren mehrere Bilder daraus geschickt. Aus urheberrechtlichen Gründen möchte ich aber keine Inhalte aus Büchern zeigen. Es soll sich ja für Autoren noch lohnen, ein Buch zu schreiben. Jedenfalls gibt es viele Möglichkeiten der Schnittführung für Corsagen, die darin gezeigt werden.

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16 Gedanken zu “Papier, Stoff und Stahl

  1. sewing galaxy 1. Januar 2017 / 20:38

    Liebe Regina,
    Hut ab vor deine Büste!!!
    ich habe lange von einer geträumt, dann kurzer hand eine thermobüste gekauft. ist nicht dasselbe,aber sie hat zumindest meine rückenbreite, hohlkreuz, unterschiedliche schulter und absenkenden busen:-) in Köln gibts ein 2 tägigen workshop,wo man das aus pappe-mache macht und dann anschliessend auf die körpermasse justiert. vorteil dabei ist,dass man lernt mit veränderungen der figur schnell das ding anzupassen.
    gute erfahrungen mit den basisschnitten habe ich bei den hobbyschneiderinen bei Hofenbitzer beobachtet.von Gilewska bin ich nicht so überzeugt(habe bis jetzt einfach keine überzeugende erfahrungen im netz gesehen)aber es spielt eigentlich gar keine rolle, welche basis dafür genommen wird- hauptsache super körperbetint und schon angepasst. danach wird einfach müller korsett-konstruktion übertragen. dieses exemplar ist nach müller entstanden: http://2.bp.blogspot.com/-PUBQkdMcnTM/UEiC3jvvFEI/AAAAAAAACpw/UbK5HY-Kwfo/s1600/390e1067e7a5.jpg
    Was mich bei Müller stört ist,dass es zu wenig angaben zu der führung der schnittlinien gibt. Meine Meisterin sagt, es kommt mit der zeit,dass das auge selbst sieht wo und wie die liie laufen sollte, damit es ästhetisch schön ist. Von den anderen habe ich gelesen, dass die konstruktion nicht besonders gut geeignet,wenn man etwas mehr als cup A und B hat. dann sollte man die korrektur nach Srmstrong durchführen. es shceint,dass es für frauen mit kleinem busen gedacht war.
    Danke für dein Kommentar in meinem Blog. ich bin da auf deine Fragen eingegangen.
    liebe grüße
    Julia

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    • formspielerins werke 1. Januar 2017 / 21:05

      Das auf dem Bild gezeigte dürfte dieselbe Grundlage haben wie meines. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich das Spiralband, das direkt über die Brust verläuft, weggelassen habe. Wahrscheinlich habe ich es (vor drei Jahren) als unbequem eingestuft.
      In dem Buch ist die Schnittführung über einen Grundschnitt gelegt und ich konnte mein eigenes ganz gut proportional dem nachempfinden.
      Was hat es mit der Korrektur nach Armstrong auf sich?

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  2. sewing galaxy 1. Januar 2017 / 23:12

    hmm..ich hab dir kommentar geschickt,aber ich sehe ihn grade nicht. ist esim spam?
    hier nochmal sind die rauskopierte seiten:

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  3. sewing galaxy 1. Januar 2017 / 23:13

    kommt mein kommentar an? ich ahbe schon 2 mal geshcickt. da sind links. guckst du bitte im spam?

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  4. formspielerins werke 2. Januar 2017 / 12:38

    Ah, soviele Links, das mag das Programm nicht. Die Bilder vom zweiten Kommentar habe ich gelöscht, sie müssen ja nicht doppelt erscheinen.
    Hochinteressant! Es gibt viele Möglichkeiten zur Schnittgestaltung, wie man sieht. Vielen Dank für den Hinweis! Mal sehen, zu was es mich inspiriert.

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    • sewing galaxy 2. Januar 2017 / 13:33

      🙂 gern geschehen. das ist natürlich ein schnitt für ein corsage. aber im ersten bespiel ist genau die korrektur,die ein busen für müller-schnitt braucht. ich ahbe es einfach vollständigkeitshalber komplett rauskopiert. bei meinem schnitt habe ich schon beim konstruieren die verschmälerung der taille miteingerechnet. hier wird es körpernah konstruiert,wie das bei einem korsage-kleid wäre.
      liebe grüße
      Julia

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      • formspielerins werke 2. Januar 2017 / 14:45

        Es tut mir leid, aber ich will aus urheberrechtlichen Gründen nicht seitenweise Inhalte aus Büchern zeigen, deshalb nur der Hinweis auf das angesprochene Buch.
        Zu der Korrektur: Wenn ich dich richtig verstehe, meinst du, dass die obere Kante etwas eingehalten bzw. etwas gekniffen/ weggesteckt werden muss. Ein bißchen was musste ich schon auch machen, ist aber, finde ich, kein Thema. Bei größeren Cups kann es natürlich etwas mehr sein. Regina

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  5. stoffnotizen 13. März 2017 / 13:50

    Hallo, ich fand Eure Diskussion sehr spannend und habe mich ein wenig dazu umgeschaut. Ich habe mir die Vorgehensweisen in Hofebitzer und Schnittkonstruktion Brautmode des Rundschau-Verlages angeschaut. In der Rundschau 03/2012 gab in der Rubrik Schnitttechnik eine Konstruktionsanleitung für Mieder / Korsage, bei der die Unterbrustweite in die Konstruktion mit eingeht. Es wird damit einmal eine Unterbrustlinie als auch ein Abnäherinhalt auf dieser Linie berechnet. Das wäre doch ganz hilfreich für große Cups, oder?

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    • formspielerins werke 13. März 2017 / 15:49

      Den Artikel kenne ich leider nicht, er klingt interessant. In meinen Büchern ist nie die Rede von Unterbrustweite. Diese Linie wird ja anscheinend errechnet, denn es ist schwierig, im Rücken die richtige Höhe zu erwischen. Ich habe gesehen, für manche Konstruktionen kann es sein, dass der Abnäher zwischen Taille und Brustpunkt zunächst parallel gehalten wird und erst ab einem bestimmten Punkt ausläuft. Und sicher kann es nicht schaden mal nachzumessen, wieviel man an Weite haben will. Allerdings verstehe ich nach wie vor nicht, wieso große Cups ein Problem darstellen sollen.

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      • formspielerins werke 20. April 2017 / 11:42

        Doch, jetzt habe ich in eben jenem Buch „Historische Schnitte“ eine Bügelbodykonstruktion gefunden, bei der nach der Unterbrustweite gefragt ist. Ich könnte mir prinzipiell vorstellen, dass es hilfreich sein könnte, zunächst die Form mit dieser Konstruktion zu erfassen oder sie auch als Unterbau zu nutzen.

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